»Kinder brauchen eine sichere Perspektive«

Junge Geflüchtete werden oft von Bildung ausgeschlossen. Der Beitrag von der junge welt, Gitta Düperthal mit Jibran Khalil, 

 

Anlässlich der Bundestagswahl am 23. Februar haben Sie ein Papier mit migrationspolitischen Forderungen herausgegeben. Welchen Bedingungen sind geflüchtete Minderjährige in Deutschland im Asylsystem ausgesetzt?

Der Staat, der ihnen hier Schutz gewähren sollte, sorgt nicht dafür, dass sie vom ersten Tag an in die Schule gehen können. In Berlin gibt es erst mal keinen Schulplatz. Wir fordern, dass Kinder und Jugendliche, wenn sie nach ihrer Flucht in Deutschland ankommen, sofort Zugang zu Bildung erhalten. Ein weiteres Anliegen ist: Kinder, die oft von schlimmen Erlebnissen im Herkunftsland traumatisiert sind, müssen zur Ruhe kommen können. Sie brauchen eine sichere Perspektive, also Bleiberecht. Viele haben in Deutschland nur den Status der »Duldung«; müssen sich ängstigen, dass die Polizei sie mitten in der Nacht abholt, um sie abzuschieben. In Einrichtungen für Geflüchtete müssen viele mit anschauen, wie so etwas anderen Familien mit Kindern widerfährt. Deutschland muss sich an die UN-Kinderrechtskonvention halten.

Bekannt ist die Organisation »Jugendliche ohne Grenzen«, weil sie jährlich den »Negativpreis Abschiebeminister*in« verleiht. 2024 erhielt ihn die Berliner Innensenatorin Iris Spranger (SPD). Ist das ein Ventil, damit junge Geflüchtete die Wut mal an der richtigen Stelle abladen können?

Tatsache ist: Sie reden nur über uns, aber nicht mit uns. Weil wir das ändern wollen, haben wir lange gekämpft, um einen Termin zu bekommen, damit wir der Berliner Senatorin den Negativpreis überreichen können. Stellvertretend nahm ihr Staatssekretär Christian Hochgrebe den Preis am 15. Januar entgegen. Spranger erhielt den Preis, weil Berlin 2023 mehr Menschen abgeschoben hat als in den Vorjahren, auch Roma nach Moldawien, die dort massiver Diskriminierung ausgesetzt sind. Gerade Deutschland sollte das nicht tun, da in der Nazizeit viele Roma und Sinti umgebracht wurden. Spranger befürwortet zudem Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien.

Warum war Ihnen die persönliche Übergabe wichtig?

Wir sprachen mit Hochgrebe über Abschiebung, Bleiberecht, Recht auf Bildung, das Leben in Sammelunterkünften. Das Bundesaufnahmeprogramm sowie das Berliner Landesaufnahmeprogramm für Afghanen waren ebenfalls Thema. Wir wollen künftig auch konkrete Fälle mit politisch Zuständigen diskutieren, wenn junge Geflüchtete nicht in die Ausbildung oder zur Schule gehen können oder lange auf Bleiberecht warten müssen. Dieses Jahr werden wir wieder bei unserer Parallelveranstaltung zur Innenministerkonferenz in Bremen einen Abschiebeminister küren.

Aktuell werden Verschlechterungen und Gesetzesverschärfungen debattiert, angeblich um die Sicherheit der Bevölkerung zu erhöhen. Was bedeutet das für junge Geflüchtete?

Im Bundestagswahlkampf müssen wir erleben, dass die CDU, statt über die Wirtschaftskrise und die Inflation zu diskutieren, wieder mal Geflüchtete zu Sündenböcken erklärt. Mit christlichen Werten und Nächstenliebe hat das nichts zu tun. Wir werden pauschal verurteilt für die Tat von Kriminellen, müssen Vorurteile über uns ergehen lassen, Hetze von rechten Parteien und Angriffe auf der Straße gegen uns. Deutschland stellt sich auf einen hohen Sockel, debattiert über Verstöße gegen Menschenrechte in Saudi-Arabien oder im Kongo. Man sollte die Menschenrechte auch hier einhalten.

Geht es in der aktuellen Diskussion vielleicht um etwas anderes als überforderte Kommunen?

Ich glaube, der Kolonialismus mit seinem Rassismus und menschenverachtenden Umgang wirkt nach. Seit den 1990er Jahren heißt es: »Das Boot ist voll«. Dabei ist Deutschland ein reiches Land und hat Verantwortung, zur Flucht gezwungene Menschen aufzunehmen. Die deutsche Industrie liefert Waffen, ist an Kriegen in der Welt direkt beteiligt. Vor diesen Kriegen müssen viele Menschen fliehen. Wenn es nicht genug Sozialwohnungen, Schul- und Kitaplätze gibt, ist das nicht die Schuld von Geflüchteten, sondern von Regierenden, die all das kaputtsparen.

https://www.jungewelt.de/artikel/493408.migrationspolitik-kinder-brauchen-eine-sichere-perspektive.html

 

Asylrecht verteidigen!

Wir sind heute bei der Demo im Antira-Block, um eine klare Botschaft zu senden:

Asyl ist ein Menschenrecht – und dieses Recht muss gelebt werden!

Hinter dem Wort „Asyl“ stehen Schicksale.
Schicksale von Menschen, die vor Krieg, Verfolgung und Gewalt fliehen mussten.

Viele haben die Flucht nicht überlebt.
Sie sind im Mittelmeer ertrunken.
In der Wüste verdurstet.
Oder durch Gewalt ums Leben gekommen.
Auch hier in Deutschland – haben Anschläge und rassistische Gewalt unschuldige Menschen das Leben gekostet.

Diese verstorbenen Menschen mahnen uns:
Wir dürfen nicht wegschauen! Wir müssen handeln!

Doch was passiert, wenn Geflüchtete hier ankommen?
Sie werden in große Heime gesteckt – oft ohne Rücksicht auf ihre Bedürfnisse. Die Politik schaut zu.Und schafft so noch mehr Probleme. Das können wir nicht hinnehmen!

Wir brauchen:
1. Psychologische Betreuung für traumatisierte Menschen.
2. Kulturell sensible Unterbringung.
3. Integration von Anfang an – durch Sprachkurse und Bildungsangebote.
4. Dezentrale Unterbringung in Gemeinden.

Wir leben im 21. Jahrhundert – in einer Zeit der Solidarität!
Lasst uns gemeinsam dafür kämpfen, dass Asyl nicht nur ein Wort bleibt – sondern gelebte Menschlichkeit wird!

In Gedenken an die Verstorbenen und im Namen derer, die noch kämpfen:

Lasst uns laut sein!
Lasst uns handeln – jetzt und hier!

Forderungen anlässlich der Bundestagswahl 2025

Jugendliche ohne Grenzen (JoG) und der Bundesfachverband Minderjährigkeit und Flucht (BuMF) präsentieren anlässlich der Bundestagswahl am 23. Februar 2025 ein elf Punkte umfassendes Forderungspapier. Gemeinsam mit 13 mitzeichnenden Organisationen und Landeskoordinator*innen rufen sie darin alle demokratischen Parteien auf, sich im Wahlkampf für die Einhaltung der Kinderrechte geflüchteter Kinder und Jugendlicher einzusetzen.

Sie fordern einen grundlegenden Wandel hin zu einer Asyl- und Migrationspolitik, die die Menschenrechte respektiert und die besonderen Bedürfnisse von geflüchteten Kindern und Jugendlichen berücksichtigt.

Die Unterzeichnenden betonen angesichts derzeitiger migrationspolitischer Debatten: Die Kinderrechte aus der UN-Kinderrechtskonvention gelten für alle Kinder und Jugendlichen. Vor allem nehmen sie jene in den Blick, die aufgrund ihrer Situation besonderen Schutz benötigen, wie etwa geflüchtete Kinder und Jugendliche. Doch aufgrund der aktuellen restriktiven Migrations- und Asylpolitik werden Kinderrechte zunehmend missachtet. Die Politik der letzten Jahre hat nicht dazu beigetragen, dass die Einhaltung von Kinderrechten vorangetrieben wurde.

Der Diskurs über Migration ist zunehmend von Rassismus geprägt: Schutzsuchende, deren Anspruch auf Kinder- und Menschenrechte es eigentlich zu verteidigen und auszubauen gilt, werden immer häufiger zu einem vermeintlichen Sicherheitsproblem gemacht und damit entmenschlicht. Ganz offen werden grundgesetzwidrige Vorhaben wie Rückweisungen an der Grenze diskutiert. Dem muss Einhalt geboten werden.

Geflüchtete junge Menschen benötigen dringend Sicherheit und Perspektiven, doch sie leben oft in Unsicherheit über ihre Zukunft und ihren Aufenthaltsstatus und machen sich Sorgen um ihre Familien, von denen sie getrennt wurden. Sie müssen viele Hürden überwinden, die ihnen die Teilhabe am Leben erschweren. Ihre Situation könnte sich nach der Bundestagswahl weiter verschlechtern.

Angesichts dieser Umstände fordern die Unterzeichnenden unter anderem:

  • Recht auf Asyl stärken und faire Asylverfahren gewährleisten,
  • Bleiberecht statt zunehmende Abschiebungen,
  • unkomplizierte Familienzusammenführungen für alle geflüchteten Menschen – auch für subsidiär Schutzberechtigte,
  • Berücksichtigung der Rechte und Bedarfe geflüchteter Jugendlicher im SGB VIII,
  • gleicher Zugang zu medizinischer und therapeutischer Versorgung,
  • Recht auf Wohnen für junge geflüchtete Menschen und ihre Familien,
  • Schluss mit der diskriminierenden Bezahlkarte.

Forderungspapier als PDF.

Ansprechpersonen:

Jibran Khalil | Jugendliche ohne Grenzen
Tel.: 0176 24519228 | jog@jogspace.net

Helen Sundermeyer | Bundesfachverband Minderjährigkeit und Flucht e.V.
Tel.: 0157 53678775  |  h.sundermeyer@b-umf.de

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